Wollgeschäft Wolle und Staune

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Letzte Aktualisierung am von Markus Schmidt

Zu Besuch in der Wollboutique Tirol

Zu Besuch bei Sabine im Wollgeschäft mit Herz: "Wolle und staune" am Fuße des Karwendel in Tirol, Foto: Tom Bause
Zu Besuch bei Sabine im Wollgeschäft mit Herz: „Wolle und staune“ am Fuße des Karwendel in Tirol, Foto: Tom Bause

Wolle macht süchtig
Wir besuchen das Wollgeschäft „Wolle und staune“ in Kolsass. Wolle in allen Farben sind zu finden und Sabine Schatz mittendrin. Ihre Welt ist ein Wollknäuel und ihre Boutique der Mittelpunkt. Sabine Schatz bietet in Kolsass am Fuße des Karwendel in Tirol weit mehr als die größte Woll- und Garnauswahl Österreichs. „Es ist eine sympathische Sucht“, weiß sie. Wenn das so ist, ist sie eine sympathische Dealerin.

Herzlichkeit und Anleitung für´s Stricken im Wollgeschäft

Da brauche ich keinen Kuchen mehr. So schlimm ist das“, muss Sabine Schatz herzhaft lachen, wenn sie ein Bild von sich selbst zeichnet, bei Regenwetter, zu Hause am Bankl vor der Glasfassade sitzend, mit einem Hörbuch und – na klar – ihrem Strickzeug. Es gibt Menschen, die sporteln, Menschen, die malen, Menschen, die basteln – und dann gibt es Menschen, die stricken. „Es ist richtig zum Runterkommen. Da beame ich mich weg. Sie sagen alle, Stricken ist das neue Yoga. Wahrscheinlich stimmt’s“, sagt sie und spricht nicht nur für sich selbst.

Es gibt viele Strickideen im Wollgeschäft, die selbst ausprobiert wurden, Sabine hat die Strickanleitung und das nötige Material, Foto: Tom Bause
Es gibt viele Strickideen im Wollgeschäft, die selbst ausprobiert wurden, Sabine hat die Strickanleitung und das nötige Material, Foto: Tom Bause

Ganz und gar nicht. Längst hat sich eine Art verstrickte Gemeinschaft gebildet, die die Welt umspannt. Die Wollfäden, die sie zusammenhalten, sind so fein wie stark. „Es gibt eine Plattform im Internet. Stellt da eine Strickerin ihren Schal rein und die Anleitung dazu, dann stricken plötzlich 6.000 Frauen auf der Welt diesen Schal“, weiß Sabine.

Stricken in Tirol als Freizeitbeschäftigung

Die Vorstellung einer Heerschar an Frauen, die von den Rocky Mountains über das neuseeländische Auenland, den norwegischen Fjord, die hessische Wetterau bis ins Tiroler Achental allesamt am gleichen Schal stricken und doch jede für sich an einem Original, hat schon einen bizarren völkerverbindenden Reiz. Einen mollig warmen. Wer meinte, dass Stricken ausschließlich ein Hobby älterer Damen ist, deren Füße recht rasch schmerzen und die mit einer ewigen Abfolge aus Glatt und Verkehrt die Zeit totschlagen, irrt gewaltig.

Über 300 Wollsorten, Garne und exklusives Strickzubehör in der Wollboutique in Kolsass, Foto: Tom Bause
Über 300 Wollsorten, Garne und exklusives Strickzubehör in der Wollboutique in Kolsass, Foto: Tom Bause

Diese Leidenschaft geht weit über das „Trallala, ich stricke einen Janker für den Tati“ hinaus. „Nein, das ist es nicht mehr“, sagt Sabine. Sie weiß, wovon sie spricht, hat sie sich doch ihre eigene Welt um diese Leidenschaft gestrickt. Hier in Kolsass, wo sie vor sechs Jahren mit „Wolle + Staune“ ein Geschäft eröffnete, das in mehrfacher Hinsicht einzigartig ist. Und speziell. Und auch ein wenig schrill. So wie sie.

Klein, heimisch, nachhaltig

„Während der Schulzeit musste meine Mama die Sachen immer fertig machen. Erst nach der Schulzeit habe ich angefangen, zu stricken“, erinnert sich Sabine an die Entstehung ihrer Sucht. Einen schönen Job hatte sie, sie machte ihn auch gerne, doch wuchs mit den Jahren der Traum vom eigenen Wollgeschäft und es war ihr Mann, der sie dazu animierte, den Traum Wirklichkeit werden zu lassen. Christian Schatz werkelt nebenan an den Zirbenholz-Wohnmobilen, die nicht minder außergewöhnlich sind wie Sabines Reich.

Schiffscontainer bilden das Grundgerüst. Von außen betrachtet, würde das niemand vermuten, innen erkennt man es schon. Und staunt. Nicht nur, weil die lila gestrichenen Wände, zwischen denen früher wohl Waren aller Art um die Welt geschifft wurden, einen so witzigen Kontrast zur wolligen Wärme bilden. „Fast alles hier drin ist Recycling“, erklärt Sabine.

Auch hinter dieser Tatsache steckt ein Teil ihrer Philosophie: Klein, heimisch, nachhaltig könnten die Stichworte sein, verantwortungsbewusst das passende Adjektiv. Ein wenig unwohl fühlt sie sich, wenn die Wolle um die halbe Welt „gekarrt“ werden muss, und echte Fellbommel kauft sie nicht mehr: „Ich bin umgestiegen auf Kunstfellbommel aus Bad Ischl. Die kaufen den Webpelz in Europa, die Mama näht sie und die Tochter verkauft sie.“ Alles rund.

Zubehör zum Stricken – Ausgeflippt & mundgeblasen

Stricksachen brauchen auch Zutaten abseits der Wolle. Bommel eben oder Knöpfe. Oder Stricknadeln. „Ich habe nur ausgeflippte Knöpfe, die normalen kriegt man sowieso“, sagt sie zum einen, „und das sind mundgeblasene Glasstricknadeln“, erklärt sie das andere. An einer Wand hängen riesige Stricknadeln, die aussehen, als könnte man sich mit ihnen in der Not recht gut verteidigen. Hauchdünne Wolle wird mit ihnen gestrickt. Und der Effekt? „Da macht es fluff“, sagt Sabine, „das schaut cool aus.“

Wollgeschäft in Tirol mit mehr als 300 Wollsorten

Die Zutaten sind – wie könnte es auch anders sein – gleichsam eingebettet in ein flauschiges Meer bestehend aus Wollknäueln in derart vielen verschiedenen Farben und Arten, dass sich die Augen nicht sattsehen und die Hände nicht satttasten können. Über 300 verschiedene Woll- und Garnsorten werden geboten. Wolle, Baumwolle, Seide, Leinen … so gut wie alles, was verstrickt werden kann, verdichtet sich hier in Kolsass zu einem Angebot mit enormer Anziehungskraft. Immer wieder gelingt es Sabine, neue Wollen zu finden von wieder neuen, meist kleinen, feinen Unternehmen. Die Raritäten locken und verlocken.

Besuch bei Frau Wolle statt Strickkurs in Tirol

„Natürlich kommen viele Frauen aus der Umgebung, sie kommen aber auch aus Südtirol oder Vorarlberg oder sind Urlauberinnen auf der Durchreise, für die der Stopp in Kolsass einen Fixpunkt darstellt“, freut sich Sabine über die Strahlkraft dieser sympathischen Sucht, die rundherum Wohlbefinden schafft: „Es hat immer etwas Warmes, Buntes, Weiches – da steckt ganz viel positives Psychozeugsl drin.“ Ganz viel Positives. Und ganz schön viel Ansteckendes. Und ganz schön viel Arbeit. Handarbeit.

Die Stücke, die im Geschäft ausgestellt werden und zeigen, was alles möglich ist, dienen mehr dem Reiz und als Ideenquelle. Wenn in 60 bis 80 Stunden zwei Kilometer Wolle verstrickt werden, wird so ein Teil eigentlich unbezahlbar. Es sind Unikate. Immer. Egal, wie viele Frauen dieselbe Vorlage verwendet haben. „Eine echte Strickerin würde nie etwas kaufen. Das geht gegen die Strickerinnenehre“, weiß Sabine. So einzigartig wie jedes gestrickte Teil, so einzigartig ist sie, die Welt der Strickerinnen. Und in Kolsass hat sie einen wolligen Mittelpunkt.

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